Aus der Rechtsprechung
Beitragszahlungen an Fitnessstudio während Corona-Schließung
Ein Fitnessstudio erzielt umsatzsteuerbare Einnahmen, wenn es in der Zeit der Corona-Schließung weiterhin Beiträge im Lastschriftverfahren einzieht und Online-Kurse sowie Zeitgutschriften für die Zeit nach Wiedereröffnung anbietet, so die Richter des FG Schleswig-Holstein im Urteil vom 14. Februar 2022 (Az. 4 V 17/21).
Dem Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach ein Fitnessstudio während der Schließungszeit infolge Coronabeschlüssen Beiträge durch Lastschriftverfahren einzog und Online-Fitnesskurse, einen Online-Service und Trainingspläne für zu Hause anbot. Die gezahlten Beiträge ans Fitnessstudio stellen nach Auffassung der Richter Entgelt i. S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG für eine steuerbare Leistung des Fitnessstudios dar. Um ein Entgelt handelt es sich bei den Mitgliedern, die – möglicherweise zu Unrecht – davon ausgingen, weiterhin zur Beitragszahlung verpflichtet zu sein. Ein Entgelt ist aber auch bei denjenigen Mitgliedern anzunehmen, die bewusst weitergezahlt haben; denn sie konnten die Online-Kurse wahrnehmen oder sich Trainingspläne für zu Hause erstellen lassen.
Um eine umsatzsteuerbare Anzahlung handelt es sich ferner, wenn der Betreiber des Fitnessstudios dem Mitglied eine taggenaue Zeitgutschrift erteilt und ihm damit zusagt, dass sich der Vertrag um die Schließzeit ohne weitere Beitragspflicht verlängert. Alternativ handelt es sich um eine umsatzsteuerbare Anzahlung für einen Einzweck-Gutschein i. S.b. § 3 Abs. 14 UStG, wenn der Betreiber dem Mitglied einen Gutschein für die Zeit der Beitragszahlung während der Schließung erteilt.
Zahlt das Mitglied allerdings den Beitrag freiwillig weiter, ohne hierfür eine Leistung bzw. eine Zeitgutschrift oder einen Gutschein zu erhalten, ist die Zahlung mangels Leistungsaustausch des Studiobetreibers nicht umsatzsteuerbar.
Steuerfreiheit für Streubesitzdividenden bei unterjährigem Hinzuerwerb
Eine GmbH, die an einer Tochter-GmbH zu Beginn eines Kalenderjahres mit weniger als 10 % beteiligt ist und im Laufe des Jahres sowohl Anteile von weniger als 10 % als auch Anteile von mehr als 10 % hinzuerwirbt, gilt als zu Beginn des Kalenderjahres als mit mindestens 10 % beteiligt mit der Folge, dass die gesamte Dividende steuerfrei ist. Dies hat das FG Sachsen mit Urteil vom 13. Oktober 2020 entschieden (Az. 8 K 666/20).
Verfassungsmäßigkeit der Hinterziehungszinsen von 6%
Der BFH hält den Zinssatz von 6% für Hinterziehungszinsen nach § 235 AO iVm. § 238 AO für verfassungsgemäß. Im Gegensatz zu Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO nimmt der Steuerhinterzieher Hinterziehungszinsen nämlich bewusst in Kauf, so die Begründung des BFH imUrteil v. 28.09.2021 (VIII R 18/18).
Keine verfassungsrechtliche Bedenken bei einem Abzinsungssatz von 5,5% für unverzinsliche Verbindlichkeiten
Das Finanzgericht Münster hegt bei dem steuerrechtlichen Abzinsungssatz von 5,5% keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 15. Oktober 2021 - 10 K 1707/20). Das Urteil ist zur Rechtslage im Jahr 2016 ergangen. Das Finanzgericht Münster führt an, dass der Fremdkapitalmarktzins im Jahre 2016 bei 2,45% bis 3,71% lag. Zudem seien noch bonitätstechnische Aspekte sowie Sicherheitengestellungen des Schuldners bei der Beurteilung des angemessenen Abzinsungssatzes zu berücksichtigen. Somit sei nach Auffassung des Finanzgerichtes Münster der steuergesetzliche Zinssatz von 5,5% nicht willkürlich. Das urteilende Finanzgeicht hat die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen.
Kein Veräußerungsgeschäft bei Vermietung einzelner Räume eines privat genutzten Gebäudes an einzelnen Tagen
Das Finanzgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 27. Mai 2021 (10 K 198/20) entschieden, dass der Gewinn aus der Veräußerung von selbstgenutztem Wohneigentum auch dann in vollem Umfang von der Besteuerung ausgenommen ist, wenn in den Jahren vor der Veräußerung wiederkehrend einzelne Räume des Gebäudes lediglich an einzelnen Tagen (konkret zwischen 12 und 25 Tagen pro Jahr) an Messegäste vermietet wurden. Das Finanzgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen (rechtsanhängig unter dem Aktenzeichen IX R 20/21).
Keine Umsatzsteuerbefreiung von Schwimmunterricht
Schwimmunterricht ist kein nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie steuerbefreiter Schul- und Hochschulunterricht. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 21. Oktober 2021 entschieden. Zur Begründung seiner Entscheidung führt der EuGH an, dass der Schwimmunterricht nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt.
Keine Lohnfortzahlung im Lockdown
Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen (BAG, Urteil v. 13.10.2021 – 5 AZR 211/21).
Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Juli 2021 geregelt, dass der steuerliche Zinssatz von 6%, welcher sowohl auf Steuererstatttungsansprüche als auch auf Steuerschulden appliziert wird, für die Jahre ab 2014 verfassungswidrig ist.
Die Richter stellen aber klar, dass die Verfassungswidigkeit des 6%igen Zinssatzes erst ab dem Veranlagungszeitraum 2019 Wirkung entfaltet, d.h. für Veranlagungszeiträume ab 2014 bis einschließlich 2018 verbleibt es bei der alten Rechtslage und 6%ige Zinssatz entfaltet für diese Zeiträume weiterhin Gültigkeit. Steuerpflichtige, die gegen Zinsfestsetzungen dieser Veranlagungszeiträume Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt haben, müssen demnach für diesen Zietraum, d.h. 2014 bis 2018, mit der endgültigen Festsetzung von voher ausgesetzten Nachzahlungszinsen rechnen.
Der Gesetzgeber ist angehalten, bis 31. Juli 2022 eine verfassungskonforme Regelung auszugestalten, die sodann rückwirkend ab 2019 Wirkung entfaltet. Wie diese Regelung ausschauen könnte, ist noch ungewiss.
Das Landesamt für Steuern Niedersachsen hat zum obigen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wie folgt Stellung genommen:
Es geht ausdrücklich nur um Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, nicht um Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen und auch nicht um Prozesszinsen. Anträge wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit solcher anderer Zinsen werden die Finanzämter - entsprechend dem weiter geltenden Gesetz – ab sofort wieder ablehnen. Im Ergebnis müssen diese anderen Zinsen jetzt gezahlt werden
Dagegen hat das BVerfG den Finanzämtern jegliche Festsetzung von Zinsen auf Steuerforderungen und -erstattungen für die Zeit ab 2019 untersagt. Sie dürfen ab sofort für die Zeit ab 2019 „neue“ Zinsen gar nicht mehr verlangen, sondern müssen hierfür abwarten, wie der Gesetzgeber die Dinge neu regeln wird.
Endgültige, nicht mehr änderbare Zinsfestsetzungen für Zeiten ab 1.1.2019 sind (wegen der sog. Bestandskraft solcher Bescheide) hiervon grundsätzlich nicht betroffen (außer dass die Finanzämter auch aus bestandskräftigen Zinsfestsetzungen die Zahlung noch offener/nicht entrichteter Beträge nicht mehr fordern dürfen).
Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber verfahren die Finanzämter bei Zinsfestsetzungen für die Zeit ab 1.1.2019 mit vorläufiger Wirkung wie folgt:
Neu zu erlassende Bescheide, mit denen eine erstmalige Festsetzung von Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen einhergehen würde, werden von vornherein in Bezug auf diese Zinsen vorläufig „auf null“ gesetzt, bis der Gesetzgeber die Ersatzregelung geschaffen hat und das Finanzamt diese sodann auf die Fälle – ggf. rückwirkend - anwenden kann.
Bescheide, die vor der Entscheidung des BVerfG ergangen waren und die noch nicht endgültig sind, bleiben grundsätzlich weiterhin nicht endgültig, solange sie von keinem der Beteiligten „angefasst“ werden. D. h. die in den Bescheiden enthaltenen Zinsfestsetzungen sind weiterhin "in der Welt", aber mit dem Status „vorläufig“ (= bis zur Neuregelung des Gesetzgebers), und dies auch unabhängig davon, ob die betreffenden Zinszahlungen geleistet, gestundet oder in anderer Weise ausgesetzt worden sind. Sobald der Gesetzgeber spätestens bis 31.7.2022 die Ersatzregelung getroffen haben wird und damit für alle Beteiligten klar sein wird, welche Änderungen sich konkret ergeben, werden die Finanzämter diese Änderungen eigenständig und grundsätzlich ohne weiteren „Anstoß“ der Steuerpflichtigen in jedem einzelnen Fall von sich aus vornehmen. Das wird dann auch maschinell möglich sein.
Bei Bescheiden, die vor der Entscheidung des BVerfG ergangen sind und die jetzt - warum auch immer - geändert werden (müssen), kommt es darauf an, ob sich durch die Änderung für den Steuerpflichtigen eine (weitere) Nachzahlung ergibt oder ob ihm etwas zu erstatten ist: Bei einer (weiteren) Nachzahlung wird das Finanzamt die diesbezüglichen (weiteren) Zinsen – wie bei den Neufestsetzungen (siehe oben) – vorläufig „auf null“ setzen. Bei einer Erstattung (wegen nachträglich verminderter Nachzahlungshöhe) wird das Finanzamt die insoweit zu viel gezahlten Zinsen mit erstatten. Maßgeblich ist also der Änderungsbetrag (nach oben bzw. nach unten). Oder umgekehrt ausgedrückt: Die Zinsen in Bezug auf den gegenüber der bisherigen Festsetzung unveränderten Teil bleiben vorläufig unangetastet – mit der Betonung auf „vorläufig“. Denn all dies gilt nur bis zur Ersatzregelung durch den Gesetzgeber.
Je nachdem, wie der Gesetzgeber sodann die Ersatzregelung ausgestaltet, werden die Finanzämter die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen zu gegebener Zeit entsprechend neu festsetzen.
Somit sind Zinsfestsetzungen zu Gunsten des Steuerpflichtigen für die Jahre ab 2019, die vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ergangen sind, sozusagen "at risk", weil diese vom Finanzamt dann zurück verlangt werden könnten, sobald der Gesetzgeber eine neue Regelung in 2022 implementiert hat. Daher raten wir, Erstattungszinsen für die Jahre ab 2019 insoweit auf ein separates Konto zu parken.
Geringfügige Mängel der Kassenführung berechtigen nicht zu Hinzuschätzungen
Geringfügige Mängel in der Kassenführung eines Imbissbetriebs rechtfertigen keine über die konkreten Auswirkungen dieser Mängel hinausgehenden Hinzuschätzungen, so das FG Münster mit Urteil vom 9. März 2021 (1 K 3085/17 E,G,U).
Eignung der Personengesellschaft als Organgesellschaft im Umsatzsteuerrecht
Der EuGH hat mit Urteil vom 15. April 2021 (C 868/19) entschieden, dass Art. 11 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie einer nationalen Regelung entgegen steht, die die Möglichkeit für eine Personengesellschaft, zusammen mit dem Unternehmen des Organträgers eine umsatzsteuerliche Organschaft zu bilden, davon abhängig macht, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in dieses Unternehmen finanziell eingegliedert sind.
Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Bezug auf zumutbare Belastung und Haushaltsersparnis
Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG ist auch für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen zu gewähren, die dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wegen der zumutbaren Belastung aber nicht als solche berücksichtigt worden sind. In der Haushaltsersparnis, die bei der Ermittlung der abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung zu berücksichtigen ist, sind keine Aufwendungen enthalten, die eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG rechtfertigen (BFH, Urteil v. 16.12.2020 - VI R 46/18; veröffentlicht am 15.4.2021).
Abzug von größeren Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV
Hat der Steuerpflichtige größere Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilt und verstirbt er innerhalb des Verteilungszeitraums, ist der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungsjahr des Versterbens als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen, so der BFH mit Urteil vom 10. November 2020 (IX R 31/19). Der BFH widerspricht somit zugunsten des Steuerpflichtigen auf der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung.
Herabsetzung des Mietzinses wegen der Corona-Pandemie (Kammergericht Berlin v. 1. April 2021)
Bei einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung wegen der Corona-Pandemie kann die Gewerbemiete wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf die Hälfte herabzusetzen sein, ohne dass eine Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall festgestellt werden muss, so das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 1. April 2021 (8 U 1099/20). Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Anpassung des Mietzinses während Corona-Lockdown (OLG Dresden v. 24. Februar 2021)
Das Oberlandesgericht Dresden hat entschieden (5 U 1782/20), dass für ein von staatlicher Schließungsanordnung aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen betroffenes Ladenlokal ein angepasster Mietzins zu zahlen ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Keine Aussetzung oder Reduktion von Mietzinsen (OLG Karlsruhe vom 24. Februar 2021)
Ein gewerblicher Mieter, dessen Ladenlokal aufgrund einer behördlichen Anordnung im Corona-Lockdown für den Publikumsverkehr geschlossen werden musste, kann seine Mietzahlung nicht ohne Weiteres aussetzen oder reduzieren. das hat das OLG Karlsruhe entschieden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.